Nach einer total ruhigen Nacht in Beaufort, in der wir nicht im Bett hin und her geschleudert wurden, wachten wir einigermaßen entspannt auf. Die Sportboote an den Beaufort Docks in Sichtweite verließen so nach und nach die Stege, denn die Großveranstaltung „The Big Rock Tournament“ war zu Ende. Wir hatten eine Zusage für einen Hafenplatz an dem Sonntag, also heute … 180 Dollar für eine Nacht ist ein stolzer Preis für ein Stückchen Steg und einen Wasseranschluss, wohlgemerkt ohne Strom! Aber gut, wir hatten die letzten 2 Wochen gar kein Geld ausgegeben, wir mussten einkaufen, Wäsche waschen, das Boot mit Süßwasser abspülen, ein paar Ersatzteile besorgen und wollten einfach mal einen Fuß an Land setzen. Wir riefen morgens das Hafenbüro an und bekamen grünes Licht zur Einfahrt. Wir bereiteten Fender und Festmacherleinen vor und holten den Anker auf.
Das Anlegemanöver war etwas knifflig, denn die Einfahrt war schmal und man musste direkt links abbiegen ohne andere Boote zu rammen bei relativ viel Wind und viel Strömung. Auf die Einfahrt zusteuernd, kam uns ein Kajakfahrer in die Quere, der auf Zurufe so gar nicht reagierte … na gut, Rückwärtsgang und zweiter Anlauf mit dem Dockmaster am Funkgerät: „Watch out for the current!“
Thomas manövrierte uns souverän, mit ein paar Schweißperlen auf der Stirn, in die Box und Simon, der tiefenentspannte Marinero nahm die Leinen an. Die hübsche Waterfront des Städtchens Beaufort machte schonmal einen guten Eindruck und wir gingen uns zuerst mal anmelden im Hafenbüro. So entspannt wie hier hatten wir das Einchecken noch nie erlebt … keine Bootspapiere, keine Versicherungsunterlagen … nix. „Wann müssen wir den Hafen morgen verlassen?“ Antwort: “Whenever you want. Take your time.“ Wow! Wir bekamen noch zwei Chips für jeweils ein Begrüßungsbier im Restaurant des Gebäudes und konnten unser Fischernetz einfach zur Entsorgung dort abgeben. Auf unsere Frage nach Müllrecycling ernteten wir nur ein Kopfschütteln und Grinsen.

Außerdem gab es ein paar Autos, die der Hafen seinen Kunden kostenlos zur Verfügung stellte, auch das hatten wir noch nie erlebt … wir bekamen einfach den Autoschlüssel ohne Papierkram oder Führerschein … unglaublich!
Wir fuhren also erstmal Frühstücken zu BurgerKing, durch den Drive-In-Bankautomaten und dann zum Supermarkt PIGGLY WIGGLY, der natürlich sonntags geöffnet ist. Nach Kuba, wo es schlichtweg so gut wie gar nichts zu kaufen gab, der Dom Rep, die nicht viel besser war und Puerto Rico, wo es zwar vieles gab, aber seeehr teuer, waren wir hier im Schlaraffenland. Es gab frische Maiskolben, Blaubeeren, Jogurt, Schinken, Storck Riesen und Wein in Schläuchen zu ganz normalen Preisen. Völlig beseelt kauften wir ein paar Sachen, wollten den Haupteinkauf aber am nächsten Tag bei Lidl tätigen.
Nachmittags bummelten wir ein bisschen durch die Läden von Beaufort, kauften ein paar neue T-Shirts, damit wir nicht mehr ganz so abgerissen aussahen, spülten unsere Jobber ausgiebig mit Süßwasser und behandelten bei der Gelegenheit auch gleich mal die rostigen Beschläge mit Chemie. Thomas ging nochmal in den Mast und montierte die Wlan-Antenne ab, die wir wegen Starlink nicht mehr brauchten und die sowieso noch nie so wirklich funktioniert hatte. Die festen Brücken im Intracoastal Waterway sind nämlich alle mind. 65 Fuß hoch, somit sollten wir eigentlich drunter her passen, aber ohne die Antenne sollten wir noch ein bisschen mehr Luft haben … sicher ist sicher.
Immer noch etwas platt von der Überfahrt gingen wir abends unsere Chips für Bier einlösen und etwas essen. Wir kamen ein bisschen ins Plaudern mit einem Schlepperkapitän und seiner Freundin am Nachbartisch. Wir erfuhren, dass diese Sportfischerboote, die an dem Wettbewerb teilgenommen hatten, so um die 2,6 Millionen Dollar kosten und dass die Boote keine Delfine fangen, wie wir mit Erschrecken im Netz gelesen hatten, sondern das ein Spitzname für Goldmakrelen ist … also Insiderinfos … käme man ja nie drauf!
Als der Schlepperkapitän sich verabschiedete, teilte er uns so beiläufig mit, dass er unsere Rechnung fürs Essen bezahlt hatte … „have a nice evening“, unglaublich und unglaublich nett! Das war unsere erste Begegnung mit einem „dieser Amis“.
Am nächsten Morgen brachten wir unsere Wäsche in den nahegelegenen Waschsalon, baten Segelnachbarn aus dem Hafen, sie in den Trockner zu stecken, wenn sie fertig sein würde und fuhren mit einem Hafenauto nach Morehead, den Nachbarort, um ein paar Ersatzteile zu kaufen, in den Liquor-Store und zu Lidl zu gehen, auch hier mit großartiger Auswahl zu normalen Preisen.
Wieder zurück im Hafen waren wir jetzt wieder ordentlich versorgt mit frischen Lebensmitteln, die wir schon sehr lange nicht mehr hatten und holten unsere Wäsche ab, die ordentlich gefaltet und gestapelt bereit lag … die Amis sind einfach nett!
Wir verließen den Hafen in Beaufort am späten Mittag, denn dann sollte die Strömung kippen, das heißt, sehr gering sein. Wir bogen also ein auf den Intracoastal Waterway ICW, der sich von Florida bis nach Baltimore erstreckt und durchs Landesinnere verläuft über Seen und Kanäle, unter Brücken durch und durch Schleusen. Wir würden weitgehend motoren, auf größeren Wasserflächen auch mal segeln, wenn der Wind passt. Man muss hier sehr sorgfältig navigieren, weil die schmalen Kanäle für unseren Tiefgang von 2.0 m schon eine Herausforderung sind. Sobald man den Kanal verlässt, steckt man im Schlamm fest. Manchmal gibt es Gegenverkehr, auch mal ein breiter Schleppverband, und es liegen immer wieder Wracks, Crab pots (Krabbenkörbe auf dem Grund mit Bojen an der Oberfläche), Untiefen und Baumstümpfe im Fahrwasser, denen man ausweichen muss … alles in allem eine spannende Strecke von 196 Seemeilen bis zur Chesapeake Bay.
Der Einstieg der ersten Etappe erwies sich schon als Sackgasse, nach der ersten Brücke wurde es immer flacher, wir sahen ein gestrandetes Segelboot in ein paar hundert Metern Entfernung und entschieden uns für die Umkehr und einen sichereren Weg „außen rum“. Der erste Ankerplatz lag knapp neben dem Kanal und in Sichtweite einiger schicker Häuser mit riesigen Grundstücken und eigenem Bootssteg.
Wir genossen die grandiose Natur, die Sumpflandschaften, in denen wir meistens komplett allein waren neben ein paar Delfinen, Schildkröten und Seeadlern. Das Wasser nahm langsam die Farbe von starkem Kaffee an, was an der Biomasse lag, die hier in Form von totem Holz vor sich hin rottete. Diesem Wasser wird heilende Wirkung nachgesagt, aber es lud nicht unbedingt zum Schwimmen ein (Klicke hier für ein Video).
Nachdem wir die erste Schwingbrücke passiert hatten, hier musste man sich per Funk anmelden, manövrierte uns Thomas durch eine flache Bucht durch viele Krabbenbojen in allen Farben … die Bojen sehen sehr hübsch aus, aber man möchte sie nicht im Propeller haben, zu unserem nächsten Ankerplatz. Unser etwas zickiger Tiefenmesser lässt uns immer in den ungünstigsten Momenten im Stich, zwischen den Riffen der San Blas Inseln und jetzt wieder in diesen sumpfigen Flachgewässern, na ja hier würde man im Schlamm stecken bleiben, was zumindest keine Schäden verursacht, wenn man wieder rauskommt.
Hier blieben wir zwei Nächte, denn wir hatten festgestellt, dass viel Wind für den nächsten Tag angesagt war und wir hatten eine längere Etappe vor uns. Der Wind kam nachts mit über 36 kn, Gewitter und Regen (Klicke hier für ein Video). Er heulte und verursachte Wellen, was sich am Anker nicht so gut anfühlte. Einmal mehr waren wir froh, einen zuverlässigen Anker und eine Ankerkette mit einer Länge von 100 m zu haben.
Wir nutzten die Zeit für Bestellungen von Ersatzteilen, die bei der Überfahrt zu Bruch gegangen waren. Den kaputten Edelstahlbeschlag für die Fußreling gab es nicht von der Stange, den mussten wir anfertigen lassen bei dem Schlosser in Berlin, der u.a. schon unser Bimini gefertigt hatte. Er bekam eine Skizze und würde 2 Stück anfertigen „kein Problem“ und zu Johanna nach Stuttgart liefern, die uns vielleicht im Juli in NewYork besuchen würde … ebenso fand Thomas ein Ersatzteil für den kaputten Mastrutscher in Holland, ebenfalls mit Lieferung nach Stuttgart und Thomas bastelte eine Übergangslösung mit Dyneemaseil.
Am nächsten Tag stand der sogenannte „Virginia Cut“ auf dem Programm … eine Kanalpassage Richtung Norfolk, 62 Seemeilen, die wir event. an einem Stück zu bewältigen haben würden. Es gab nur eine Möglichkeit, anzulegen auf dieser Strecke, ein alter Steg in Pungo Ferry, von dem nur noch die Pfähle übrig waren. Sollte dieser Platz besetzt sein oder zu flach für uns, müssten wir weiter bis Norfolk und möglichst bei Tageslicht ankommen. Eine alternative Strecke war der Grant-Swamp, der auch nach Norfolk führte, landschaftlich sehr reizvoll, aber mit unserem Tiefgang von 2 m, leider chancenlos.
Wir stellten den Wecker auf 4.30 Uhr, lichteten den Anker noch bei Dunkelheit, was in diesen schlammigen Gebieten immer etwas dauert, weil man die Kette noch mit der Deckwaschpumpe sauber spülen muss. Mit dem ersten Tageslicht und einer Tasse Tee ging es dann los, Jutta auf dem Vorschiff mit Funkgerät und Jobber im Zick-zack-Kurs um die Crab-Pots herum wieder zurück ins Fahrwasser.
Außer uns gab es noch ein paar Motorboote in Sichtweite an einem kleinen Strand, denn es war Freitag und die Leute standen mit Kind und Kegel, einem Getränk, Brille und Hut stundenlang im hüfttiefen Flusswasser, erzählten sich was und grillten am Heck ihrer Boote Würstchen. Abends waren wir wieder allein und entschieden uns, noch eine weitere Nacht zu bleiben, weil es hier landschaftlich sehr schön war und weil am folgenden Tag, einem Samstag, viel Betrieb sein würde an den vor uns liegenden Schwingbrücken und der Schleuse (Klicke hier für ein Video).
Wir nutzten den Tag für weitere Planungen und Überlegungen, wie es ab Norfolk auf der Chesapeake Bay weitergehen würde und staunten über den Schiffsverkehr … wie auch immer die endlos langen Schleppverbände über diese kurvigen Kanäle und durch die Brückendurchfahrten kamen, war uns ein Rätsel (Klick hier für ein Video).
An dieser Stelle muss ich den Südstaatlern einmal ein Kompliment machen. Wir haben in der gesamten Karibik nicht so saubere Gewässer gesehen, wie bisher in den USA … nicht eine einzige Plastikflasche im Wasser, oh doch eine, aber die wurde innerhalb von Minuten aus dem Wasser gefischt … das ist wirklich beeindruckend und haben wir schon ganz anders erlebt.
Was es in diesen Sumpfgebieten natürlich reichlich gibt, sind Insekten … Libellen in allen Farben, Schmetterlinge, Stechfliegen, Mücken und Falter in XXL … einer hatte sich in mein Weinglas verirrt und Thomas warf ihn über Bord, leider inkl. Glas.
Auf die letzte Etappe des ICW starteten wir auch wieder früh um 6.00 Uhr, so dass wir um 7.30 Uhr an der ersten Brücke sein konnten. Um diese Zeit und an einem Sonntag war sehr wenig los. Die Morgenstimmung mit etwas Nebel auf den Wasserflächen war wunderschön und wir sahen viele Weißkopfseeadler in ihren Nestern auf den Seezeichen sitzen. (Klicke hier für ein Video).
Wir hatten 6 bewegliche, einige feste Brücken und eine Schleuse zu passieren, was alles zügig und ohne Wartezeiten klappte.
Danach ging es über den Elizabeth River an Norfolk vorbei, einem bedeutenden Tiefsee- und Industriehafen, einem Umschlagplatz für Container, Fracht und Kreuzfahrtschiffe. Hier befindet sich die größte Marinebasis der Welt und die Heimat der US- Atlantikflotte. Das war auch nicht zu übersehen, denn hier lagen verschiedenste Kriegsschiffe und Flugzeugträger in gigantischen Ausmaßen. Da funkt auch schonmal das Warship 119 mit dem Aircraftcarrier auf Kanal 16, schon ein bisschen unheimlich und man fühlt sich winzig und möchte möglichst nicht auffallen.
Wir erreichten am späten Nachmittag Hampton, das auf einer Halbinsel in der Chesapeake Bay liegt und warfen den Anker in einer sehr ruhigen Bucht mit noch ein paar anderen Booten. Hier war es unglaublich heiß … eine Hitzewelle hatte Virginia erreicht mit Temperaturen von bis zu 38 Grad am Tag, über 32 Grad nachts und 0 Wind … super anstrengend und es sollte noch einige Tage so bleiben!

Hier der Track von Beaufort nach Hampton.

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Irene, SV Searenity (Samstag, 05 Juli 2025 08:20)
Spannend, danke! Das tönt aber nicht nach "Champagner-Segeln", sondern nach viiel Arbeit, nicht nur vor Anker, in den Marinas, sondern auch unterwegs. Trotzdem, wir sind natürlich unsagbar neidisch auf die Einkaufsmöglichkeiten, die ihr habt. Weiterhin viel Spass!