Eine lange Etappe von Puerto Rico in die USA

 

Wir verließen Puerto Rico planmäßig am Samstag, den 31. Mai nachmittags, immer den Wetterbericht im Auge, denn am 1. Juni beginnt jährlich die Hurricanesaison. Zu dem Zeitpunkt braute sich im Pazifik der erste Wirbelsturm des Jahres zusammen, aber der sollte uns keine Probleme bereiten. Die anstehende Etappe hatte, im Idealfall, eine Länge von etwa 1200 Seemeilen in 10 Tagen und wir baten, wie immer vor längeren Überfahrten, Neptun um seinen Segen. Die Betonung lag auf „Idealfall“, denn sie sollte bez. Strecke und Zeit um einiges länger werden, aber das will man ja am Anfang gar nicht wissen und irgendwann, wenn man drinsteckt, muss man halt durch. Neptun war uns leider nicht so wohlgesonnen … vielleicht schmeckte ihm der Puerto-ricanische Rum nicht.

 

 

Wir würden weitgehend Wind von hinten haben, setzten Groß- und Vorsegel in Schmetterling form mit Bullenstander (Sicherungsleine, die das Umschlagen des Baumes verhindert) und Spibaum, der das Vorsegel in Position hält. Mit diesem Setup kamen wir gut voran, aber Jobber rollte heftig von rechts nach links um die Mittelachse, wir gingen in unseren gewohnten Wachrhythmus und schliefen beide schlecht in der ersten Nacht (Klicke hier für ein Video).

 

 

 

Am nächsten Morgen, etwas übernächtigt, beschlossen wir, den Parasailor (leichtes Vorsegel mit integriertem Flügel) nach langer Zeit mal wieder zum Einsatz zu bringen, denn er hat den Vorteil, dass er durch den herausragenden Flügel Auftrieb generiert, im Gegenteil zum Spinnaker, stabil steht und somit das Rollen des Bootes reduziert … so weit so gut. Der Parasailor benötigt 4 zusätzliche Leinen zur Bedienung und es entsteht sehr schnell ein unübersichtliches Leinengewurschtel und man muss versuchen, den Überblick zu behalten. Auch dieses Mal lief es nicht reibungslos (O-Ton Jutta:“ Ich hasse dieses Ding!“), der Parasailor verdrehte sich und Thomas musste das 125 Quadratmeter-Monster auf dem Vorschiff rumturnend wieder entwirren. Irgendwann stand der Parasailor und machte einen wirklich guten Job.

Und weil es so gut lief, warfen wir unseren Vorsatz, das Monster niemals nachts zu fahren, über Bord. Nach Wetterbericht sollte die Windstärke konstant bleiben und wir gingen das Risiko ein, denn sollte der Wind zunehmen auf über 20 Knoten, würde das Segel mitsamt seinem Bergeschlauch (Schlauch, den man mittels Leinen über das Segel zieht und dann das Segel samt Schlauch über ein Fall runterzieht) geborgen werden müssen.

 

Der nächste Tag lief mit dem Parasailor auch super und wir kamen gut voran. Bei einem Blick nach hinten stellten wir aber fest, dass wir uns ein Fischernetz eingefangen hatten … ein paar gelbe und rote Bojen mit dicken Schwimmleinen trieben hinterm Heck und Teile eines Netzes hingen am Ruder der Windsteueranlage. Wir holten mit einem Bootshaken die Bojen hoch und befestigten sie am Heckkorb, damit nicht so viel Zeug im Wasser hing und uns bremste. Versuche, das Netz mit dem Bootshaken zu lösen, scheiterten. Leider hatte unsere GoPro kurze Zeit vorher ihren Geist aufgegeben, so dass wir nicht herausfinden konnten, wie schlimm es war. Wir vermuteten, dass sich Netz oder Leinen in unserem Propeller verhakt hatten, was bedeutete, dass wir manövrierunfähig waren, also den Motor nicht starten konnten, ohne noch mehr Schaden anzurichten … eine Situation, die sich nicht gut anfühlte.

 

 

Wir ließen das erstmal sacken und beschlossen, den Parasailor für die Nacht weiterzufahren, weil der Wetterbericht stabil aussah und es in der vorherigen Nacht ja auch gut lief. In Juttas Nachtschicht frischte der Wind aber immer mehr auf, Ihr wurde mulmig und sie weckte den Skipper.

 

Es wurde beschlossen, das Monster musste runter, bevor der Wind noch mehr zunahm und es immer gefährlicher wurde. Thomas musste also im Dunkeln aufs Vorschiff mit Schwimmweste und Sicherungsleinen eingepickt, um das Segel zu bergen, die Leinen zu sortieren, den Spibaum wieder anzuschlagen und Jutta bediente die Leinen vom Cockpit aus … mittlere Panikattacken niederkämpfend. „Was passiert, wenn er über Bord geht … wenn er sich verletzt … ich hasse dieses Ding … alles wird gut!“

 

 

Alles ging gut, aber wir wussten wieder, warum wir den Parasailor niemals nachts fahren. Man sollte sich doch konsequenter an seine eigenen Regeln halten!

 

 

 

Am nächsten Tag überlegten wir, welche Optionen es bezüglich des Fischernetzes gab:

 

 

Plan A - wir schieben einen ungeplanten Zwischenstopp auf den Turks and Caicosinseln ein, segeln in eine ruhige Ankerbucht, ankern (ohne Motor nicht so easy) und versuchen, uns tauchend von dem Netz zu befreien.

 

 

Plan B - wir warten auf ruhigeres Wetter mit niedrigeren Wellen und versuchen das Netz offshore zu lösen … sehr gefährlich und wahrscheinlich nicht machbar

 

 

Plan C - wir lassen das Netz wo es ist, segeln in die USA (noch 800 Seemeilen) und lassen uns in irgendeinen Hafen schleppen, um das Netz dort zu entfernen … auch nicht so toll!

 

 

Wir entschieden uns für Plan A, für eine geeignete Bucht, Pine Cay und nahmen Gas raus (verkleinerten die Segel), um bei Tageslicht durch einen Riffgürtel in die Bucht zu kommen. Um 7.30 Uhr waren wir in der Bucht, Thomas manövrierte uns an eine geeignete Stelle, nahm die Segel runter und Jutta ließ den Anker fallen. Ohne Motor hatten wir das auch noch nicht gemacht, aber alles klappte und der Anker hielt … puhhh! Wir waren beide etwas zittrig und mussten erstmal runterkommen.

 

Nach einem kurzen Tauchgang hatte Thomas das Netz entfernt, es hatte sich mit einer dicken Schwimmleine um einen Flügel des Propellers gewickelt und ließ sich leicht lösen. Wir hievten das Sammelsurium von Leinen, verschiedenen Arten von Netzen, Kabelbindern und Bojen an Deck und staunten nicht schlecht, wie groß es war. Zurück ins Meer konnten wir es nicht werfen, dann würde es den nächsten Segler treffen, also mussten wir es erstmal mitnehmen.

 

Thomas nahm das Ding auseinander, sortierte die Einzelteile und verstaute es in Müllsäcken, auf dem Vorschiff und am Heckkorb hängend … eine ziemliche, nach Fisch riechende Sauerei.

 

 

 

Wir blieben 2 Nächte, kochten und backten für die nächste Etappe und fanden, es reichte nun an Abenteuern für den Rest der Strecke nach USA. Wir genossen die Ruhe, gingen Schwimmen und sagten Hallo zu dem Delfin, der hier in der Bucht lebte und so gar nicht ängstlich war. Segelfreunde, die im letzten Jahr hier waren, kannten ihn schon.

 

 

Freitag ging es also weiter zu unserem eigentlichen Ziel. Wir sahen Delfine unterwegs (Klicke hier für ein Video), aber die Windstärke ließ zu wünschen übrig. Uns blieb nichts anderes übrig als den Kurs der Windrichtung anzupassen, ein paar Schlenker zu segeln mit wechselnder Segelstellung zwischen Raum- und Vorwindkursen. Wir kamen nur langsam vorwärts, die Segel schlugen, es dengelte, klöterte, krachte und knatschte … das zerrte nicht nur am Material, sondern auch an den Nerven. Nachts hatten wir einen blinden Passagier, der ein paar Stunden auf der Reling und auf dem Dinghi saß, nett, aber morgens war er weg und hatte einiges hinterlassen.

 

 

 

Die Bedingungen waren an den kommenden Tagen sehr wechselhaft und oft schwachwindig, mit 3 kn Fahrt würden wir wohl noch etwas länger unterwegs sein. Abends schauten wir Filme von der Festplatte, denn wir hatten wieder den Offshore Starlink Tarif aktiviert, somit war Filme streamen nicht drin. Wir beschäftigten uns schonmal mit der weiteren Route an der Ostküste und studierten den Waterway Guide für den Intra Coastal Waterway ICW. In dieser Serie von Revierführern, die wir zum Teil gekauft, geschenkt bekommen oder aus Tauschbücherregalen in Häfen abgestaubt hatten sind viele wichtige Informationen zu Häfen, Brücken, Schleusen, Tankstellen und Sehenswürdigkeiten an Land enthalten.

 

 

In USA gibt es die Vorschrift, dass auf jedem Schiff zwei spezielle Plakate gut sichtbar aufgehängt werden müssen. Das eine betrifft die Regel, dass keine Öle ins Meer gekippt werden dürfen, eigentlich selbstverständlich. Auf dem anderen Plakat geht es um die Entsorgung von Müll … da gibt es so Regeln, dass man Müll nur im Abstand von 3 Meilen ins Meer werfen darf, Dinge, die schwimmen im größeren Abstand und Plastikteile, nicht größer als 1 Inch auch nur in 3 Meilen Abstand vom Land. So viel um Thema Umweltschutz in den USA. Später sollten wir ausgelacht werden, als wir nach Mülltrennung fragten.

 

 

Die Flaute hielt an und wir mussten immer wieder den Kurs an die ungünstige Windrichtung anpassen, also weitere Umwege fahren und die restlichen Seemeilen bis zum Ziel wurden nicht weniger. Das erinnerte uns irgendwie an den Film aus den 80 gern „und täglich grüßt das Murmeltier“  … jeden Morgen aufstehen … immer noch über 400 Seemeilen bis zum Ziel … schon wieder das Gemüsecurry … und wieder die schlagenden Segel … ziemlich nervig!

 

 

Wir entschieden uns, den direkten Weg zu verlassen und Richtung Golfstrom zu segeln, in der Hoffnung, dass der uns nach Norden schieben würde. Am Rand des Stroms wurden Wind und Wellen erstmal total chaotisch und die Strömung von hinten war auch eher schwächer als wir erwartet hatten. Kennt Ihr den Film „Findet Nemo“? (Klick hier für ein Video) … so hatten wir uns das eigentlich vorgestellt! Stattdessen gab es Squalls (Wetterereignisse mit Winddrehern, Starkwind aus wechselnden Richtungen oder Flaute und Starkregen) mit 30 kn Wind, die man ganz gut auf dem Radar sehen konnte.

 

 

 

Wir beschäftigten uns mit Planungen für die Zukunft, genauer gesagt für den Winter 26/27, in dem wir wieder zurück in Europa sein wollten, aber unser Haus noch vermietet sein würde. Was hatten wir für Optionen? Die Ideen gingen von Wohnung mieten in Holland und am Boot arbeiten bis hin zu nach Neuseeland fliegen und 5 Monate mit dem Womo durchs Land reisen. Wir nahmen Kontakt auf mit Segelfreunden, die einen ähnlichen Neuseelandplan gerade hinter sich hatten und baten um Infos über Kosten usw. Die Infos kamen postwendend und klangen sehr vielversprechend … mal sehen … schon hart, wenn man so viele verschiedene Optionen hat und sich entscheiden muss.

 

 

So nach und nach wurde die Golfströmung aber stärker und wir sausten nur so mit 8-9 kn und Starkregen dahin (Klicke hier für ein Video). Plötzlich gab es einen lauten Knall und ein Beschlag, der auf der Fußreling montiert war und für die Umlenkung der Reffleine vom Vorsegel zuständig war, zerlegte sich in seine Bestandteile. Gleichzeitig riss ein Lazyjack (Leinen, die diagonal zwischen Baum und Mast gespannt sind und das Großsegel beim Bergen führen) und kurz vorher hatte sich ein Mastrutscher (Beschlag, der das Großsegel im Mast führt) verabschiedet … na prima … ruck-zuck hatten wir ein paar neue Baustellen.

 

Der kaputte Beschlag war nicht zu retten, aber wir konnten die Reffleine anders führen, der kaputte Mastrutscher war auch erstmal nicht so schlimm … hier würden wir ein Ersatzteil vom Masthersteller brauchen, aber ohne den Lazyjack war es schwierig, das Großsegel zu bergen. Es blieb nichts übrig, Thomas musste, sobald die Bedingungen ruhiger werden würden, während der Fahrt in den Mast und die Leinen reparieren … auf dieser Überfahrt war wirklich alles dabei!

 

 

 

Das Wetter beruhigte sich und bei wenig Welle zog Jutta den Skipper mit der elektrischen Winsch in den Mast. Die Reparatur gelang, aber es war ganz schön schaukelig so weit oben, Thomas konnte ein paar Delfine von oben beobachten und brachte ein paar blaue Flecken mit runter.

 

 

Unser Ziel kam aber kontinuierlich näher und die Restetappe verlangte noch einiges von uns. Am Rand des Golfstroms gab es starke Strömung bei wenig Wind, was heftig schlagende Segel zur Folge hatte … das zerrt unglaublich an den Nerven und kurz vorm Ziel gabs hohe, chaotische Wellen und Regen … boahh, jetzt wars aber allmählich gut! Wir tauschten noch unsere Nationale, denn wir wollten ja einen guten Eindruck machen in den USA und die alte war wirklich durch. Wir erreichten Beaufort, wie geplant samstags morgens bei Tageslicht und fuhren in die Bucht, wo es endlich ruhiger wurde. Bei Tagesanbruch waren uns sehr viele Sportfischer entgegengekommen, weil hier einer der größten Wettbewerbe stattfand, THE BIG ROCK TOURNAMENT, eine Woche Hochseefischen mit Preisgeldern bis zu 800 000 Dollar und der Grund, warum wir keinen Hafenplatz bekommen konnten in Beaufort.

 

 

 

Nach ein bisschen Rumkurven an unterschiedlichen Plätzen in Beaufort und einer kleinen Aktion mit Grundberührung, fanden wir endlich den letzten Ankerplatz in einem Flusslauf in der Nähe des Hafens, in dem wir doch noch ab Sonntag einen Platz für eine Nacht reservieren konnten. Jetzt hieß es erstmal Einklarieren, was glücklicherweise online ging, da wir ja aus Puerto Rico kamen, also auch USA (was hatten wir uns Sorgen gemacht, nicht einreisen zu dürfen wegen Kuba!), Schlaf nachholen und akklimatisieren mit nur minimalem Geschaukel … herrlich! Die Welt war in Ordnung und der Stress vergessen!

 

Abends konnten wir den Sportfischern zusehen, die dicht an uns vorbei in den Hafen schipperten ... der letzte Ankerplatz lag wohl ein bisschen in der Einflugschneise und war deshalb noch frei.

 

 

 

Hier unsere Überfahrt von Puerto Rico nach Beaufort, North Carolina im Überblick. Am Ende waren es 1499 sm, und mit den zwei Tagen Pause hat es 15 Tage gedauert, genau so lange wie die Atlantiküberquerung mit 2200 sm. Es ist immer schön, angekommen zu sein.

 

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